Klassische Archäologie
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Fragestellung und Zielsetzung

Das Projekt zielt auf die exemplarische Erforschung der Urbanisierung im nordanatolischen Raum. Dort vollzog sich in der Kaiserzeit ein so intensiver Urbanisierungsprozess, wie er in dieser Art bis in jüngste Zeit nie wieder erfolgte: In dem heterogenen Kulturraum, in dem sich protourbane Strukturen der pontischen Siedlungen im Hinterland und alte griechische Koloniestädte an der Schwarzmeerküste gegenüberstanden, wurde durch mehrere Städtegründungen des römischen Feldherrn Pompeius die Idee der römischen Stadt als dritte und fremde Gegenkraft hineingetragen. Es waren bezeichnenderweise diese neuen, fremden römischen Städte, die den Urbanisierungsprozess im nordanatolischen Hinterland eigentlich erst bewirkten. Die Urbanisierung als Mittel der Provinzorganisation sowie damit verbundene Romanisierung der indigenen Bevölkerung, die bisher hauptsächlich aus den römischen Provinzen des westlichen Mittelmeerraumes bekannt ist, wurde als Phänomen des östlichen, hellenisierten Kulturraumes bisher noch nicht erkannt, geschweige denn erforscht. Hierin gründet sich ein besonderes Potential des neuen Pompeiopolis-Projekts. Sein Gewinn zielt einerseits auf seinen innovativen Beitrag zur aktuellen Stadtforschung ab. Anderseits leistet das Projekt seinen wichtigen Beitrag im Rahmen der internationalen Initiative zur archäologischen Erforschung der Schwarzmeerregion, die sich gerade in den letzten Jahren als neuer Schwerpunkt im archäologischen Forschungsinteresse etabliert.

Da der Stadthügel nicht überbaut ist, stellt Pompeiopolis ein ideales Forschungsfeld für die Entwicklung urbaner Strukturen im nordanatolischen Raum dar und ist als Fallstudie für die Geschichte der Urbanisierung dieser Region sehr gut geeignet.

Vier Leitfragen stehen im Mittelpunkt des Projekts:

  • Wann, wie und wo zeigt das urbane Erscheinungsbild von Pompeiopolis für die Region fremdartige, d.h. genuin römische Strukturen - und wie lassen sich diese beschreiben?
  • Wann, wie und wo sind lokale Traditionen in der urbanen Ausgestaltung berücksichtigt - und wie lassen sich diese beschreiben?
  • Welche Formen von Dynamik haben die Stadtentwicklung über die Jahrhunderte geprägt?
  • Wann und warum endete die Stadt auf dem Zımbıllı Tepe?

Voraussetzung für die Annäherung an diese Fragen waren umfassende Feldforschungen. Der schlechte Erhaltungszustand der Stadtbebauung auf der Oberfläche und ihre Verschüttung legten nahe, das Projekt von Beginn an auf verschiedenen Ebenen durchzuführen.

Mithilfe von großflächigen Surveys und geophysikalischen  Prospektionen, gezielten Sondagen sowie Bauaufnahmen architektonischer Reste war ein möglichst aussagekräftiges Bild von der urbanen Struktur von Pompeiopolis zu erschließen. Dabei galt das Interesse den sakralen Bauten, den Versammlungs- und Marktplätzen, den Bauten der körperlichen und geistigen Kultur sowie den Räumen des privaten Wohnens. Darüber hinaus bildeten die epigraphischen Studien und extensiven Surveys im Umland über die Verteilung der ländlichen Siedlungsstrukturen sowie die Verbreitung der Stadtkultur einen weiteren Schwerpunkt. Besonderes Augenmerk galt der Frage nach der Wechselwirkung zwischen Pompeiopolis und den vorrömischen Siedlungen beziehungsweise den byzantinischen Fundplätzen, die der Stadtkultur in der Region vorangingen bzw. diese ersetzten.